Kunsthalle Arbon
Bildstein | Glatz
Surfin' Safari
Ausstellung 18. April bis 17. Mai 2015
Aussenskulptur «Step» bis September 20
Text: Stefanie Hoch, Kuratorin Kunstmuseum Thurgau
Wer die Ausstellung von Bildstein|Glatz in der Kunsthalle Arbon besucht, muss zuerst durch eine Art Shop. Hier werden Surf-Merchandising-Artikel angeboten und Produkte, die Namen tragen wie "Fizz immortal" – eine Pflegeserie für den männlichen Helden mit dem Slogan "Denn auch Unsterblichkeit will gepflegt sein."
Der Sound der "Beach Boys" zieht uns weiter und wir stranden an einem Setting, das eine Insel anzudeuten scheint. Zur "Surfin' Safari" gehört schliesslich die Insel als idyllischer Sehnsuchtsort, wo die Surfbretter neben Liegestühlen arrangiert sind und bunte Shorts an Schnüren trocknen. Doch statt Sand liegen da Kieselsteine und die improvisierten Schlafgelegenheiten erinnern nicht nur an Südseefeeling und Lager-feuerromantik, sondern auch an die Prekarität des Künstlerdaseins.
Hinter der Insel deuten Wellen aus Sperrholzbruchteilen eine Meereslandschaft an. Sie besteht aus Überresten einer Velobahn, die Bildstein|Glatz für eine Ausstellung im Palais Liechtenstein in Feldkirch gebaut haben. Die fragmentierten Holzstücke mit den Reifenspuren führen ins Zentrum des Raums, wo sich die lichtdurchflutete Weite der Halle öffnet und man sich von monumentalen Leinwänden umgeben wiederfindet.
Im Zentrum also das klassische Medium Malerei. Gross, abstrakt, farbig, spektakulär zum Gigantismus neigend, ja geradezu pathetisch und mitunter selbstzerstörerisch. Inmitten dieser monumentalen Bildbehauptungen scheint man aber auch fragile Momente des Zweifelns wahrzunehmen. Wie sind all diese bildnerischen Behauptungen einzuordnen? Fulminante Bejahung des Mediums Malerei oder Verweigerung, Ironie und Auflösung in bunte Beliebigkeit? Ein Blick in die Vergangenheit gibt Hinweise:
Philippe Glatz, geboren 1979 in St. Gallen, hat nach einer Ausbildung zum Offsetdrucker an der Zürcher Hochschule der Künste und an der Akademie der Bildenden Künste in Wien Malerei studiert. Matthias Bildstein, geboren 1978 in Hohenems, hat u.a. Multimedia und Bildhauerei an der Universität für angewandte Kunst Wien studiert. Die Künstler lernten sich 1997 bei einem Graffiti-Event in Bregenz kennen. Seit 2003 arbeiten sie zusammen.
Bekannt wurde das Duo mit Rampen, Fahrbahnen und Umlenkbauten aus Holz. Diese an Sportarchitekturen angelehnten Objekte changieren zwischen Sportmöbel und Skulptur, zwischen Low- und High Culture. Mal konnten die Besucher selbst Velorennen fahren, mal luden die Künstler den Stuntman Brutus Bildstein aus Utah ein, mit einem 620 km/h schnellen "Raketenauto" über verschiedene Rampen zu springen. Die Objekte von Bildstein|Glatz funktionieren als Bühnen für moderne Extremsport-Helden, womit die Kunst ihrer Bestimmung als Spektakel zugeführt zu werden scheint, wie es Guy Debord schon 1967 voraussagte.
Doch entstanden auch nachdenklich-utopische Projekte wie eine fragile Brückenkonstruktion, die in Arbon «Soweit das Buget reicht» (2009) in den Bodensee Richtung deutsches Ufer ragte.
An der Kanisfluh in Österreich baute das Duo ein gigantisches Gebilde, dessen konkave Öffnung gen Himmel gerichtet ist. Der Titel «Umlenker» lässt an die Flugbahnen von Meteoriten, Ufos oder anderen extraterrestrischen Objekte denken.Das Objekt wirkt fremd, geheimnisvoll, beinahe wie eine Fata Morgana vor dem Bergmassiv.
In der Ausstelung in der Kunsthalle Arbon beziehen sich Bildstein|Glatz auf die global funktionierende Werbe-Bildsprache aus der Surfer- und Graffitiszene und von Fun- und Extremsportarten. Sie scheinen in einer durchorganisierten Gesellschaft letzte Nervenkitzel und Fluchtorte zu bieten. Doch auch deren Lifestylemotive und Freiheitsversprechen wurden mittlerweile längst von der Industrie vereinnahmt und mainstreamtauglich gemacht.
Eine mehrere Leinwände umfassende Arbeit trennt den "Shop" von der Halle. "ftp" steht darauf geschmiert, die Abkürzung aus dem Sprayer-Jargon für "fuck the police". Ein paar belanglose Wellenlinien schlängeln sich andeutungsvoll über die Bilder. Ein Icon der Protestkultur auf Leinwand geadelt? Oder eine rotzige Reaktion auf die Interpretationsblasen des Betriebssystems Kunst?
Bildstein|Glatz malen trotz der Kommerzialisierung, trotz aller Todesurteile über die Malerei, noch immer auch ganz traditionell, Öl auf Leinwand, Grundierung mit Hasenleim. "Too big to fail" – so heisst denn auch das grösste Bild in der Halle, zu gross, um zu scheitern, allerdings auch zu gross für die Halle. Engt der Ausstellungsraum die Kunst ein oder sprengt sie ihn?
Bildstein|Glatz rühren selbst die Pigmente an und nutzen die Kunstgeschichte als Referenzrahmen und Playground. Ihre Bilder sind von der Überblendung durchbrochener Ebenen gekennzeichnet. Auf diesen Ebenen arrangieren sie halb-bedeutungsschwer, halb lakonisch, schablonenhaft oder lässig hingeworfen Fragmente aus Populärkultur und Kunstgeschichte: Sie spielen auf die Mythen des abstrakten Expressionismus an, den gestischen Pathos der "Neuen Wilden", die Banalitäten und die Raffinessen der Pop Art, die geometrischen Formen einer Sarah Morris, die sie dann übergehen lassen in das grafische Formvokabular der Sportindustrie.
Die ersten Malschichten werden oft wild übermalt oder besprayt – authentische Spuren einer Suche, Akte der Wut und Kritik? Oder postmoderner Style?
Die künstlerischen Strategien von Bildstein|Glatz verwehren sich einer eindeutigen Lesart durch die ironische Brechung von Bildcodes. Sie nehmen die in Farben und Formen überführten Versprechen auf, spielen mit den Mechanismen dieser Betriebssysteme, aber lösen die Versprechen nicht ein. Der Betrachter kann selbst entscheiden, was er sieht: Affirmation, Persiflage – oder er geht einfach zur Beachparty.
Denn Bildstein|Glatz verknüpfen ihre Ausstellungen oft mit Events und parodieren so den Ausstellungsbetrieb. In unmittelbarer Nähe zur Kunsthalle wird am 1. Mai die Arbeit „Step“ zu sehen sein. Das Erscheinungsbild der 22 x 7 Meter grossen rampenartigen Grossplastik changiert zwischen der Funktionalität einer echten Rampe und der Zweckfreiheit einer Skulptur. Eingeweiht wird mit einer Beachparty: "Party hard" – so die dortige Verheissung.